Medica + Compamed 2018: MEDICA ACADEMY zeigt auf, wie sich Kliniken auf Katastrophen und außergewöhnliche Herausforderungen vorbereiten können

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01.08.2018

MEDICA ACADEMY zeigt auf, wie sich Kliniken auf Katastrophen und außergewöhnliche Herausforderungen vorbereiten können

„Be prepared – Krankenhäuser in speziellen Schadenslagen“

Brände, Großschadenslagen, Naturkatastrophen oder Terroranschläge sind Szenarien, die Krankenhäuser unerwartet in besondere Alarmzustände versetzen. Nur mit Einsatzplänen für außergewöhnliche Notfälle, regelmäßigen Simulationen und realen Übungen können Kliniken handlungsfähig bleiben. Warum die Sensibilisierung für dieses komplexe Thema so wichtig ist, dieser Frage geht ein eintägiger Workshop der diesjährigen MEDICA ACADEMY am Montag, 12. November 2018, nach. Die MEDICA ACADEMY ist als Konferenz fester Programmbestandteil der mit mehr als 5.000 Ausstellern weltführenden Medizinmesse MEDICA in Düsseldorf (Laufzeit in diesem Jahr: 12. – 15. November 2018).

„Be prepared – Krankenhäuser in speziellen Schadenslagen“ lautet der Titel des Seminars, das sich an Beschäftigte von Klinikleitungen, Mediziner und Pflegepersonal wendet. Das Programm umfasst Fachvorträge und die Vorstellung exemplarischer Szenarien. In der anschließenden Gruppenarbeit analysieren die Teilnehmer einzelne Großschadenslagen und trainieren, auch unerwartete Entwicklungen in ihre Handlungskonzepte mit einzubeziehen.

„Eine umfassende Auseinandersetzung mit diesem Thema ist essenziell, um im Ernstfall keine Zeit zu verlieren und schnellstmöglich die richtigen Entscheidungen treffen zu können“, betont Dr. Katja Scholtes, Leitende Abteilungsärztin der Zentralen Notaufnahme der Kliniken Köln. „Wir möchten mit den Teilnehmern des Workshops die grundlegenden Aspekte einer Notfalllage erörtern, um ihnen einen Einstieg in dieses wichtige Thema zu ermöglichen.“

Pfingsten 2014 tobte das Tiefdruckgebiet Ela über Deutschland hinweg; besonders betroffen waren Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen. Ela hinterließ 64 Tote, zahlreiche Verletzte und richtete Schäden in Höhe von drei Milliarden Euro an.

Für solche Katastrophen gilt es zukünftig besser vorbereitet sein. Aber auch wenn sich Krankenhäuser nicht für jede Gefahrenlage wappnen können, ist es wichtig, zum Beispiel Ablaufpläne für Verantwortlichkeiten, Schutzmaßnahmen und auch Kommunikationsabläufe parat zu haben.

Vielleicht ist der Strom ausgefallen, sind wichtige Zufahrtsstraße versperrt oder es fehlt notwendiges Versorgungsmaterial. „Jeder Routineablauf kann in einem Notfall ausgehebelt sein“, weiß Prof. Dr. Marc Maegele, Oberarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie und Notarzt der Stadt Köln.

Gesetzgebung der Bundesländer entscheidend

Bei der effektiven Vorbereitung auf einen Ernstfall gibt es bundesweit noch viel zu tun. Ob es überhaupt gesetzlich verpflichtend ist, eine Notfallplanung vorzuhalten, hängt von den einzelnen Ländern ab. In ihrer Hand liegt es, entsprechende Gesetzesvorlagen zu verabschieden.

Untersuchungen haben gezeigt, dass die meisten deutschen Kliniken zwar Pläne für unerwartete Großschadenslagen erarbeitet haben, dass diese aber zum Teil gravierende Mängel aufweisen und zudem nicht regelmäßig aktualisiert werden. „Es reicht nicht, einen Ordner im Regal stehen zu haben“, sagt Dr. Felix Kolibay, der an der Uniklinik Köln für das Krisenmanagement verantwortlich ist. „Ein effektives Konzept verlangt eine Vielzahl von Vorkehrungen, die auch im Laufe der Zeit angepasst werden müssen, weil sich beispielsweise die interne Personallage oder die lokalen Gegebenheiten verändert haben. Um sich auf den Ernstfall vorzubereiten, müssen diese Pläne zudem in Übungen auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.“

Auch die Gefahrenlagen selbst ändern sich. Bei wachsender Bedrohung durch terroristische Anschläge kann die Versorgung von Verletzten durch sogenannte Zweitanschläge, den sogenannten `second hit´, an Brisanz gewinnen. Hier muss die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Rettungsdiensten und Kliniken angepasst werden.

Detaillierte Gefahrenanalyse

Eine Krankenhausalarm- und Einsatzplanung bezieht alle Vorgänge ein, die den regulären Ablauf in einem Krankenhaus einschränken können und die damit auch die Sicherheit der Patienten gefährden. Besondere Lagen können Stürme, Hochwasser, Massenunfälle oder Massen-Kontaminationen, aber auch Brände, eine Giftgas-Attacke oder eine Geiselnahme im eigenen Haus sein.

„Im Fall einer Sonderlage sollte die Vorbereitung zur Erstellung eines Krankenhausalarm- und Einsatzplans bei der detaillierten Gefahrenanalyse des eigenen Hauses ansetzen“, unterstreicht Dr. Scholtes. „Veraltete Energieversorgungs- oder Kommunikationssysteme, limitierte Materialressourcen, ungünstige Zufahrtswege können beispielsweise Risikofaktoren sein. Die sollte man kennen und entsprechend vorplanen. In unserem Workshop werden die Teilnehmer bestimmte Szenarien bearbeiten und Lösungsansätze entwickeln.“

Ist mit einem hohen Patientenaufkommen zu rechnen, gilt es, alle Kapazitäten optimal zu nutzen. „In Landkreisen mit eher verstreut liegenden Krankenhäusern liefern die Rettungsdienste nach einem großen Verkehrsunfall die Verletzten oftmals innerhalb kurzer Zeit an. Auf außergewöhnliche Patientenströme muss ein Haus organisatorisch zum Beispiel mit einer behelfsmäßig erweiterten Notaufnahme vorbereitet sein“, so Prof. Maegele. „Darüber hinaus sollte man wissen, welche Ressourcen lokal oder auch überregional aktiviert werden können.“

Keine Notfall-Situation ist wie die andere, zudem arbeitet jedes Krankenhaus in einem ganz spezifischen Umfeld. Allein diese beiden Faktoren machen eine Planung extrem komplex. Ein Haus in den Bergen wird sich vielleicht eher auf Umweltkatastrophen wie Lawinen oder einen Bergrutsch vorbereiten, eine Klinik in einer Metropole möglicherweise eher eine Masseninfektion oder einen Anschlag im Fokus haben.

Dr. Kolibay führt aus: „Die Versorgungslage ist je nach Lage des Krankenhauses unterschiedlich. In einer Stadt wie Köln sind wir mit dem Netz an Häusern gut aufgestellt und können Patienten auf verschiedene Kliniken verteilen und uns gegenseitig unterstützen. Das lässt sich mit Simulationen, die die Größe eines Hauses berücksichtigen, üben. In den Bergen sind die Verantwortlichen je nach Situation vielleicht erst einmal auf sich gestellt. Wir möchten im Seminar deutlich stellen – was bei uns funktioniert, muss noch lange nicht woanders der richtige Weg sein.“

Kommunikation ist alles

Die Vielfalt der denkbaren Szenarien und die Gefahr, dass die Betriebsfähigkeit einer Klinik erheblich eingeschränkt werden kann, verlangt eine eindeutige Führungsstruktur. Wer trifft die zentralen Entscheidungen, wer kooperiert mit wem, wer trägt für was die Verantwortung? Das muss in einem Krisenfall jedem klar sein und im Vorfeld geschult werden.

Gerade wenn gewohnte Abläufe zusammenbrechen, ist eine effektive Kommunikation gefragt. „Funktionieren beispielsweise die Telefonverbindungen nicht mehr, muss man sich auf anderen Wegen verständigen“, so Dr. Scholtes. „Man steigt, wenn vorhanden, auf Funkgeräte um. Oder man setzt ganz einfach Läufer ein, die die wichtigen Nachrichten überbringen.“

Patienten und Mitarbeiter sowie die Öffentlichkeit müssen informiert werden. Hier sind Pläne gefordert, die die Kommunikation regeln. Vorab definierte Sprachregelungen können hilfreich sein, mit den richtigen Worten überlegt zu argumentieren.

In Krisen kommt so mancher Betroffene an seine Grenzen. „Krisenmanagement sollte auch immer den Faktor Mensch mit berücksichtigen“, unterstreicht Prof. Maegele im Vorgriff auf das Seminar bei der MEDICA ACADEMY. „Besondere Schadenslagen bedeuten als Ausnahmesituation für Patienten, Angehörige und Mitarbeiter eine hohe psychische Belastung, die zu unerwarteten Reaktionen führen können. Auch daran sollten alle, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, denken.“

Aus den Katastrophen der Vergangenheit lernen

Vorfälle wie beispielsweise die Anschläge im November 2015 in Paris werden von Expertengruppen ausgewertet und auf Fachtagungen diskutiert. Zudem simulieren Feuerwehr, Rettungsdienste und Freiwillige reale Szenarien in praktischen Übungen. Daneben gibt es externe Institutionen, Organisationen und Netzwerke, die in Vorbereitung auf den Ernstfall helfen können. Durch diese Erfahrungen sind Krankenhäuser in Zukunft für unerwartete Großschadenslagen besser gerüstet.

„Es gibt kein Standardrezept, wie mit Krisen umzugehen ist; aber wir können aus der Vergangenheit lernen und vorhandenes Wissen nutzen“, diese Meinung teilen alle drei Experten. Die Bedeutung von Notfallplänen und das Bewusstsein, dass es jederzeit zu einem Ernstfall kommen kann und dass sich Krankenhäuser darauf vorbereiten können und müssen – das sind die zentralen Botschaften, die der Workshop im Rahmen der diesjährigen MEDICA ACADEMY vermitteln möchte.

Bild & Text: medica.de