AMB 2022: Digitalisierung zum Anfassen

Bildnachweis: Landesmesse Stuttgart GmbH
Bildnachweis: Landesmesse Stuttgart GmbH

Metallbearbeitende Industrie strebt nach Effizienz, höherer Verfügbarkeit und gesteigerter Produktivität / Digitale Konzepte auf der AMB

Die AMB 2022 in Stuttgart vom 13. bis 17. September 2022 bildet den Marktplatz der metallverarbeitenden Industrie in Europa und darüber hinaus. Der Blick auf die Ausstellenden und ihre Top-Themen zeigt, dass mechanische und elektrische Lösungen immer häufiger durch intelligente, digitale Konzepte ergänzt werden, wie ein exemplarischer Rundgang zeigt.

Effizienz, höhere Verfügbarkeit und gesteigerte Produktivität – so lautet der Dreiklang der Ziele in den Betrieben der metallbearbeitenden Industrie. Sie lassen sich durch hochqualifiziertes Personal und qualitativ hochwertige Maschinen, Werkzeuge und Komponenten erreichen – und immer mehr durch die Nutzung digitaler Produkte und Services. Sie werden auf der diesjährigen AMB vom 13. bis 17. September in Stuttgart eine wichtige Rolle spielen und an vielen Ständen im Zentrum des Interesses stehen. Beispielsweise erschließt Aussteller Chiron das Potenzial der Digitalisierung mit einem umfassenden Portfolio an Systemen, SmartLine genannt. Dabei hat Chiron nicht nur die Bearbeitungszentren, sondern auch das Umfeld der Produktion und die Unternehmensleitung im Blick. Das modulare Softwareportfolio besteht aus

  • ConditionLine: Automatische Zustandsüberwachung
  • DataLine: Integrierte Maschinen- und Prozessdiagnose
  • ProcessLine: Bearbeitungen vorab simulieren und optimieren
  • ProtectLine: Präventiver Maschinenschutz in jeder Betriebsart
  • RemoteLine: Ferndiagnose und Fernwartung
  • TouchLine: Sicher und intuitiv bedienen

Die einzelnen Komponenten kommunizieren dabei über umati, eine universelle Schnittstelle der VDW-Brancheninitiative, die seit einigen Jahren als offener Standard für den Werkzeugmaschinenbau weltweit etabliert wird.

Digitalisierungsbausteine auf der AMB in Stuttgart

Auch AMB-Aussteller Hermle legt einen Schwerpunkt auf die Automatisierung
und Digitalisierung. Eine Kombination, die immer wichtiger wird, wie die zahlreichen Kundenanforderungen zeigen. Industrie 4.0 und der Wunsch zur Digitalisierung der Hermle-Produkte spielt gerade in den Wachstumsbranchen mit hohem Automationsanteil eine bedeutende Rolle. Hermle bietet hier digitale Bausteine wie Digital Production, Digital Service und Digital Operation an. Jeder Baustein greift in den anderen, wie man im September in Stuttgart sehen kann. So stehen verschiedene Funktionen zur Verfügung: Das „Maschinen Tuning“ der Digital Operation passt Reglerparameter dynamisch an und bietet intelligente Bearbeitungssetups. Der Baustein Digital Production enthält die Tool-Management-Systeme HTMC/HOTS, Informations-Management-Systeme HIMS und Automation-Control-Systeme, kurz HACS, und der Digital Service die Funktionen Fernwartung, Diagnose- und Monitoring Systeme.

Ohne Konnektivität geht es nicht

Der Aussteller Grob setzt sich seit Jahren intensiv mit der Digitalisierung und der Entwicklung neuer Lösungen zur Fertigungs- und Prozessoptimierung auseinander und ist zu modularen Lösungen gekommen. Aufgrund der Konnektivität und flexiblen Anpassungsmöglichkeiten lassen sich mit den von Grob entwickelten Applikationen innerhalb von Grob-NET4Industry nicht nur die Grob-Maschinen, sondern alle Arten von Maschinen und Steuerungen sämtlicher Hersteller in einer ganzheitlichen Digitalisierungs-Plattform anbinden. Dadurch können Anwender die Performance der Maschinen analysieren und ihre Prozesse optimieren.

Im Bereich Edge-Computing bietet Grob4Interface die Möglichkeit, viele Steuerungen, auch herstellerunabhängig, an ein MES-System anzuschließen. Somit hat der Anwender die Chance, alle Maschinen einheitlich in der Produktion einzusehen und zu steuern. Dabei ermöglicht MES in Kombination mit dem Warenwirtschaftssystem des Kunden die Auftragsverwaltung, Planung und Auftragssteuerung auf den Maschinen. Die Module innerhalb von Grob-NET4Industry ermöglichen eine Organisation der direkten und indirekten Bereiche rund um die Zerspanung mit dem Ziel, die qualitativ hochwertigen und sehr präzisen Werkzeugmaschinen bestmöglich auszulasten. Und es werden alle Bereiche der Produktion gekoppelt: von der Produktionsplanung, -überwachung und -analyse über die Visualisierung von Vorgängen bei der Werkstückbearbeitung bis hin zum proaktiven Service und zur Instandhaltung.

Intelligente Spannmittel

Im Bereich der Spannmittel-Hersteller spielt die Optimierung der Produktion mit Hilfe der Digitalisierung eine bedeutende Rolle, wie die AMB zeigen wird. Beispielsweise wird Hainbuch Spannmittel mit integrierter, intelligenter Messtechnik – die IQ Reihe – ausstellen. Damit sind dank integrierter Sensorik viele verschiedene Messungen und Überwachungen möglich. Sogar Messmaschinen lassen sich teilweise einsparen. Über berührungslose Daten- und Energieübertragung werden die Messdaten direkt an die Maschinensteuerung geleitet und ausgewertet. Für die Hainbuch-Ingenieure ist es besonders wichtig, eine einfache und intuitive Bedienoberfläche anzubieten. Das Ziel müsse lauten, dass Mensch und Roboter in einer Art Symbiose das Maximale für ihr Unternehmen leisten können.

Doch nicht alle Automatisierungslösungen lassen sich komfortabel via „plug-and-use“ anbinden. Oft sind ältere Bestandsmaschinen dafür nicht ausgelegt. Darum wurde Vischer & Bolli Automation in die Hainbuch-Gruppe aufgenommen. Sie arbeiten als Generalunternehmer und betrachten den kompletten Prozess individuell aus Anwendersicht. Das Lösungsspektrum beinhaltet nicht nur die Verknüpfung zwischen Werkzeugmaschine und Automatisierung, sondern auch die Spanntechnik und die Werkzeugbereitstellung. Dabei betrachten sie auch die Logistik bzw. die hauptzeitparallelen Tätigkeiten und bringen diese in Einklang und unterstützen bei der Umsetzung der Erkenntnisse.

Intelligenz beim Fräsen, Bohrsenken oder der Mikrozerspanung

Für Digitalisierung in der Werkzeugspannung steht auch der intelligente Werkzeughalter iTENDO² von Schunk. Er „merkt“, wenn beim Zerspanungsprozess etwas nicht stimmt und gibt Informationen weiter über zu hohe Schwingungen, Rattermarken oder wenn ein Werkzeug kurz vor dem Bruch steht. Ausgestattet mit Sensor, Akku und Sendeeinheit erfasst der smarte Werkzeughalter Vibrationen unmittelbar am Werkzeug. Ändert sich der Zustand der Schneide oder des Werkzeugs, kann er dank des geschlossenen Regelkreises in Echtzeit reagieren und Schaden am Werkstück oder Werkzeug verhindern.

Mit seiner Drehzahl von max. 30.000 U/min ergeben sich umfangreiche Einsatzmöglichkeiten in der Luft- und Raumfahrt, Glasbearbeitung, Automobilbranche und Medizintechnik. Er kann Standard-Werkzeughalter eins zu eins ersetzen, womit eine Neuprogrammierung der Maschine entfällt. Auch seine Störkontur ist gegenüber Standard-Werkzeughaltern unverändert. Wird der smarte Werkzeughalter direkt mit dem passenden Tablet bestellt, ist die Einrichtung besonders einfach: Mithilfe der mitgelieferten App kann der Anwender alle wichtigen Daten abrufen und für die Parametrierung und Trendanalysen nutzen. Mit der Datenschnittstelle iTENDO² easy connect können Prozesse verfolgt und Maschinen überwacht werden – in einer später geplanten Version sollen dann sogar Prozesse gesteuert werden.

Peripheriegeräte anbinden

Die Maschinenbauer von Knoll spüren eine steigende Nachfrage nach Maschinendaten und deren Anbindung an übergeordnete Systeme. Die Daten, die ohnehin entstehen und Indizien zur vorausschauenden Steuerung von Anlagen liefern, sollen zur Prozessoptimierung genutzt werden. Auch, wenn aus Sicht der Bad Saulgauer momentan nur wenig Akzeptanz für die Schaffung einer Internetanbindung von Peripheriegeräten existiert, bringt das Unternehmen noch in diesem Jahr das komplett eigenständig entwickelte Bedienkonzept SmartConnect auf den Markt.

Die Edge-Computing-Lösung speichert und verarbeitet Daten direkt an den Anlagen und stellt sie über Schnittstellen (z.B. drahtlos via Bluetooth) bereit. Eine Cloud-Verbindung ist möglich, aber nicht zwingend nötig. So werden app-gesteuert sämtliche relevante Daten einseh- und auswertbar und mit geringem Installationsaufwand werden Peripheriegeräte gesteuert, Prozesse überwacht und optimiert. Auch die Fachleute von Knoll empfehlen wie der VDW eine Anbindung an die umati-Werkzeugmaschinenschnittstelle und/oder auf den OPC UA Mechanismus zu setzen.

Intelligente Plattform vereint Daten

Eine smarte CNC-Fertigung zu erreichen, hat sich Coscom vorgenommen und führt dazu mithilfe seines ECO-Systems Fertigungsdaten zusammen. So soll „Beziehungswissen“ erzeugt werden und gezielt im Prozess zur Verfügung stehen – ohne zusätzlichen Datenpflegeaufwand. CAM, Werkzeug-Software, Einstell-/Messgeräte, Lifte usw. greifen auf einen gemeinsamen Datenbestand bedarfsgerecht zu. Hinzugefügte Anlagen verfügen sofort über aktuelle Informationen. Zudem findet der Austausch mit dem ERP permanent statt. Ergänzt werden sie durch Informationen aus CAD-, CAM- und PLM-Systemen, beispielsweise zu NC-Programmen, Werkstoffen, Konstruktionsdetails oder Fertigungshinweise wie Aufspannpläne, Zeichnungen oder Videos. Ebenfalls integriert: die Technologiedaten aus dem Bereichen Werkzeugvoreinstellung und Tool-Management, -Lager und -Logistik.

Kern-Produkt ist der FactoryDirector VM, der alle für die Fertigung relevanten Informationen auf einer zentralen Plattform vereint und gleichzeitig die bestehende IT-Infrastruktur, etwa PLM- und ERP/PPS-Systeme, CAD/CAM- und Simulationssysteme sowie Werkzeugmess- und Lagersysteme miteinander vernetzt. Dadurch entsteht ein Fertigungsdaten-Netzwerk mit dem Ziel, aus Daten Wissen zu erzeugen. So soll die Produktivität verbessert, die Effizienz gesteigert und unproduktive Neben- und Rüstzeiten minimiert werden. Vorhandene Ressourcen in der Fertigung lassen sich besser nutzen, die Zeit vom Modell bis zum fertigen Bauteil verkürzt sich und die Fertigung von Wiederholteilen beschleunigt sich.

Sicherheit der Systeme im Fokus

Zentralisierung und hürdenarmer Zugang von Daten birgt jedoch auch die Gefahr des Missbrauchs. Gerade dieser Aspekt hält noch viele Verantwortliche davon ab, in die Digitalisierung zu investieren. Anlässlich der AMB 2022 rückt der VDMA Software und Digitalisierung die Themen Cybersicherheit und Digitalisierung in den Fokus. Denn die Zahl der Hackerangriffe im Maschinen- und Anlagenbau steigt. Immer mehr Mitgliedsunternehmen des VDMA berichten von Angriffen auf die IT- und OT-(Produktions)-Sicherheit im Unternehmen.

Gemeinsam mit polizeilichen Behörden auf Landes- und Bundesebene sowie dem BSI arbeitet der VDMA an mehr Sicherheit: „Für Mitgliedsunternehmen bieten wir Hilfestellungen rund um die Vorsichtsmaßnahmen vor möglichen und bei tatsächlichen Angriffen an. Auf der AMB 2022 werden wir mit dem VDMA Software und Digitalisierung unter anderem dieses Thema prominent bespielen“, sagt Prof. Claus Oetter, Geschäftsführer des Fachverbands. „Die AMB ist für uns eine wichtige Messe, da sie Innovationen und Weiterentwicklungen rund um die Metallbearbeitungsbranche zeigt. Viele unserer Mitgliedsunternehmen sind in Stuttgart vertreten und wir freuen uns auf eine spannende Messe“.

 

Bild & Text: messe-stuttgart.de/amb/