AMB 2020: Zeit, Effizienz-Früchte zu ernten

Bildquelle Messe Stuttgart
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Nachhaltigkeit im Werkzeugmaschinenbau und in der Metallbearbeitung / AMB-Aussteller über Verringerung des CO2-Fußabdrucks ihrer Maschinen

Angesichts eines wachsenden Bewusstseins für Nachhaltigkeit und aufgrund steigender Anforderungen den Klimaschutz betreffend, legen derzeit vermehrt Unternehmen des Maschinenbaus und der Metallbearbeitung die Leiter an den Effizienz- und Nachhaltigkeitsbaum und überprüfen wo weiteres Optimierungspotenzial zu ernten ist. Auch viele Aussteller der AMB 2020 beschäftigen sich mit der Frage, wie weitere signifikante Beiträge zu nachhaltigem Wirtschaften geleistet werden können. Zumal sich ein wachsender Teil der AMB-Besucher im September dieses Jahres – und somit vieler Anwender und Kunden – auch für dieses Thema interessieren dürfte.

Langlebigkeit von Produkten gewährleisten

Als Spannmittelhersteller setzt Hainbuch beim Thema Ressourcenschonung vor allem auf Langlebigkeit: „Viele Produkte auf dem Markt landen nach ihrem Verschleiß direkt im Müll“, sagt Stefan Nitsche, Leiter Produktmanagement bei Hainbuch. Deshalb habe es im Unternehmen Priorität, eine extrem lange Einsatzzeit der Produkte zu gewährleisten, die über den natürlichen Verschleiß einzelner Bauteile hinausgeht. Dafür bietet Hainbuch seinen Kunden regelmäßige Wartungen und Inspektionen an. Hier werden beispielhaft die werkstückberührenden Spannelemente nachvulkanisiert, entstandene Unebenheiten egalisiert und Verschleißstellen neu beschichtet. Die Kosten für die Instandsetzung betragen dabei einen Bruchteil von der Anschaffung eines Neuprodukts. Ein Win-Win-Deal also – für Umwelt und Industrie.

Doch auch die Anwender selbst, könnten laut Nitsche durch vorbeugende Wartung zur Langlebigkeit ihrer Spannmittel beitragen: „Im Idealfall sollten die Maschinen einmal am Tag kurz angehalten werden, um sie von Spänen und Schmutz zu befreien. Das Problem ist, dass viele Kunden sich das nicht leisten können, weil sie hohe Stückzahlen zu produzieren haben.“

Baukasten-System vereint Effizienz und Nachhaltigkeit

Ein gewichtiger Grund für den Besuch einer AMB ist es, das eigene Unternehmen oder die Abteilung wirtschaftlich zukunftsfähig aufzustellen, indem die optimale Technik vom passenden Hersteller beschafft wird. Für viele Anwender habe die Wirtschaftlichkeit ihres Unternehmens nach wie vor oberste Priorität, bestätigt auch Nitsche. Das liege vor allem am immer weiter steigenden Wettbewerbsdruck berichtet er von seinen Erfahrungen. Die Aufgabe der Werkzeugindustrie sei es deshalb, Nachhaltigkeit und Effizienz für die Kunden zu vereinen. Hainbuch bietet Anwendern dafür ein Baukasten-System an, mit dem Werkzeugmaschinen ohne Mehraufwand an unterschiedliche Fertigungsaufträge angepasst werden können: So muss für unterschiedliche Werkstückgeometrien nicht mehr das ganze Spannmittel ausgetauscht, sondern lediglich die entsprechende Adaption in das Spannmittel eingesetzt werden. Vor allem für Lohnfertiger mache das einen großen Unterschied. Hier wechseln Fertigungsbetriebe oft mehrmals täglich ihre Spannmittel, um unterschiedliche Bauteile zu bearbeiten. Beim Wechseln ganzer Spannmittel nimmt ein solcher Wechselvorgang 20 bis 30 Minuten in Anspruch, mit dem Baukasten-System sind es nur ein bis zwei. „Durch unsere Schnellwechsel-Schnittstellen können unsere Kunden so schnell umrüsten, sodass sie damit, aufgrund der eingesparten Rüstzeit, ganze Maschinen einsparen können“, erklärt Nitsche. Das wiederum sei dann umso mehr auch im Sinne der Nachhaltigkeit.

Vermeidung von Teile-Tourismus

Ein wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit besteht darin, die eigenen Produkte und Fertigungsprozesse immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Ein großer Hebel gerade im Bereich des Maschinenbaus besteht auch darin, den Anwender der Maschinen und Anlagen in die Lage zu versetzen, effizienter und umweltschonender zu produzieren. Besucher der AMB nutzen hierfür intensiv das Rahmenprogramm aber fordern die Aussteller auch im persönlichen Gespräch direkt am Stand. „Unsere Kunden versuchen bereits heute Bauteile möglichst ressourcenschonend herzustellen. Wir als Hersteller für Werkzeugmaschinen unterstützen sie dabei, indem wir technologisch möglichst viele unterschiedliche Bearbeitungsschritte weitestgehend in einer Maschine konzentrieren“, sagt der Geschäftsführer von Burkhardt+Weber, Olaf Furtmeier. Es sei auch heute noch keine Seltenheit, dass beispielsweise ein Bauteil mit neun Aufspannungen in vier verschiedenen Maschinen produziert werde: Drehbearbeitung, kubische Bearbeitung, Verzahnung und Schleifen. „Wenn diese Schritte in drei Aufspannungen und nur einer Maschine passieren, wird der gesamte Prozess effizienter. Und wir verhindern zudem den sogenannten Teile-Tourismus“, betont er.

Auch Lieferzeiten und Risiko würden sinken, wenn ein Bauteil mit nur einer Aufspannung bearbeitet wird. „Der ökologische Footprint wird verbessert, indem Ressourcen, Energie, Zeit und Platz gespart werden. Um das zu realisieren, besteht die Herausforderung für uns als Maschinenhersteller darin, dass wir uns mit Bearbeitungsmethoden beschäftigen müssen, die uns bis dato eher fremd waren, wie Schleifen oder Verzahnen“, beschreibt Furtmeier die notwendigen Anstrengungen. Das gelte um so mehr, da andere Möglichkeiten weitestgehend ausgeschöpft seien. Stichwort Energieeffizienz: „Um unsere Maschinen diesbezüglich optimal aufzustellen, nutzen wir bereits seit langem entsprechende effiziente Antriebs- und Steuerungspakete unseres Lieferanten Siemens für den Einsatz in unseren Werkzeugmaschinen. Das Thema ist ziemlich ausgereizt.“

Flexibiliät versus Spezialisierung

Ein Aspekt der Nachhaltigkeit aus Sicht der Werkzeugmaschinenhersteller, den Besucher der AMB hautnah erfahren können, liegt in der Fokussierung: „Wir bauen Maschinen für die Schwerzerspanung. Unsere Kunden haben den Anspruch, sehr große Bauteile über einen langen Zeitraum sehr genau zu zerspanen“, sagt Furtmeier. „Es ist keine Seltenheit, dass 25 Jahre alte Maschinen von uns heute noch mit derselben Genauigkeit arbeiten. Das liegt daran, dass unsere Ingenieure die Maschinen kompromisslos für die Schwerzerspanung auslegen“, sagt Furtmeier. Andere Hersteller würden eher den Ansatz einer hohen Flexibilität verfolgen, also Maschinen produzieren, die von der Leichtmetallbearbeitung mit hohen Spindeldrehzahlen und hohen Beschleunigungen bis hin zu schweren Bauteilen sehr flexibel einsetzbar sind. „Wir streben nicht an, beides zu können, sondern fokussieren uns auf die Schwerzerspanung und legen entscheidende Größen wie die mechanische Dimensionierung darauf hin aus. Das macht unsere Maschinen so langlebig – ein wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit, wie ich finde“, erläutert Furtmeier.

„Wir beobachten auch, dass die Werkzeug- bzw. Bearbeitungstechnologie häufig viel weiter fortgeschritten ist, als die Maschine auf der sie eingesetzt werden“, ergänzt Furtmeier. Das habe zur Folge, dass Leistungsoptionen von modernen Werkzeugen in vielen Fällen gar nicht abgerufen werden könnten. „Bei uns ist es gerade andersherum: Wir führen die Werkzeuge ans Limit. Beispiel Titanzerspanung für Flugzeugbauteile: Hier konnten wir Leistungen um bis zu 30 % steigern. Eine vermeintlich teurere Maschine macht sich bezahlt und schont die Umwelt, weil sie länger zu nutzen ist, eine höhere Leistungsdichte hat und die Genauigkeit über viele Jahre gewährleistet ist“, sagt er. Nachhaltigkeit habe eben auch viel damit zu tun, das Maximale aus dem gesamten Prozess heraus zu holen. Das spare Ressourcen wie Maschinen, Arbeitszeit, Platz, Energie und Rohstoffe.

Weniger Abfälle, mehr Recycling

Das Einsparen von Rohstoffen bei der Bearbeitung von Werkstücken ist hingegen eher als Stand der Technik zu bezeichnen. So ist laut Gerhard Knienieder, Geschäftsführer des fränkischen Werkzeugherstellers Emuge, im Zerspanungsprozess bereits seit einigen Jahren der Trend zum „near net shape“ vollzogen: Bereits vor der Bearbeitung werden die Werkstücke an die Form des fertigen Bauteils angepasst, um das Aufmaß für die Bearbeitung so weit wie möglich zu reduzieren. Je näher bereits das Rohteil am fertigen Bauteil ist, desto schneller ist der Job erledigt und als Zusatznutzen entsteht weniger Späneabfall in der Fertigung. In der Konsequenz sinkt beispielsweise die Schruppbearbeitung beim Fräsen während die Schlichtbearbeitung an Bedeutung gewinnt.

Auch das Recycling der Abfälle ist in der Metallbearbeitungsindustrie seit langem eingespielt. Metallspäne und andere Produktionsabfälle werden von den Fertigungsbetrieben selbst oder von spezialisierten Verwertungsunternehmen gesammelt und wieder der Rohmetallgewinnung zugeführt. Laut Knienieder sei das vor allem bei kobalt- und wolframhaltigen Edelmetallen, wie sie auch bei Emuge in der Werkzeugherstellung verwendet werden, ein wichtiger und geläufiger Prozess.

Ressourcen schonen durch Minimalmengenschmierung

Ein weiterer Nachhaltigkeitstrend in der metallverarbeitenden Industrie, über den sich viele AMB-Besucher informieren: Statt großen Mengen an Kühl- und anderen Schmiermitteln setzt man immer häufiger auf die Minimalmengenschmierung: „Für die Bearbeitung wird hier nur noch ein Hauch von Öl gebraucht, was natürlich extrem ressourcenschonend ist“, so Knienieder. Vor allem bei der Serienfertigung in der Automobilindustrie werde diese Technik bereits eingesetzt. Die Aufgabe von Werkzeugherstellern sei es nun, mehr und mehr Werkzeuge auf diese Art der Verwendung vorzubereiten. Das größte Potenzial zur Energieeinsparung sieht Knienieder in der Fertigung: „Wir müssen in der Produktion darauf achten, dass weniger Energie verbraucht wird. Nicht nur um CO2 zu vermeiden, sondern auch aus Eigeninteresse im Sinne der Kosteneinsparung.“ Auch die Digitalisierung helfe hier, Prozesse mit möglichst wenig Energieaufwand zu entwickeln. Trotzdem sei es für Unternehmen langfristig unabdingbar, die gesamte Produktions- und Lieferkette auf ihre Nachhaltigkeit zu überprüfen. So müsse sein Unternehmen künftig zum Beispiel auch auf Lieferanten zugehen, um über die CO2-Bilanz des eingekauften Rohstahls im Bilde zu sein: „In ein paar Jahren werden wir nachweisen können müssen, wie der CO2-Footprint unserer einzelnen Produkte ist. Es ist also wichtig, den Energieverbrauch nicht nur zu dokumentieren, sondern auch zuzuordnen. Und die Emissionen natürlich langfristig immer weiter zu reduzieren.“

Hohe Quote an Gutteilen schont Ressourcen

Nicht nur aufgrund von Transparenz-Effekten steckt für viele Beobachter angesichts vieler ausgereizter Potenziale eine große Chance in der Digitalisierung des Produktionsprozesses. Hier lohnt es sich beim AMB-Besuch nach Neuigkeiten Ausschau zu halten: „Wir haben uns erst jüngst mit unserem Esprit CAM-System für CNC-Maschinen neu aufgestellt. Ein wesentlicher Aspekt hierbei war das Thema der Nachhaltigkeit“, sagt Sales- und Channel-Manager bei DP Technology, Kai Lehmann. Eine Software für die Programmierung einer Werkzeugmaschine müsse angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels zuallererst leicht zu bedienen sein. Ziel müsse es sein, schnell und einfach zum fertigen Produkt auf der Maschine zu gelangen. „Wir haben viel Wissen in die Software integriert, um die Vorbereitung der Zerspanung nachhaltig im Sinne der Programmierung zu gestalten. Ein wesentlicher Aspekt ist, dass wir eine hohe Reproduzierbarkeit erreicht haben“, sagt Lehmann. Wenn mehr bearbeitete Teile Gut-Teile sind, weil die Wiederholbarkeit der Prozesse verbessert sei, habe dies direkte Auswirkungen auf die Schonung von Ressourcen.

Auch die Flexibilität spiele hier eine entscheidende Rolle: „Wir haben durch die Nutzung von Elementen der künstlichen Intelligenz an der Schraube der Betriebsauslastung gedreht. Wenn weniger Maschinen im Leerlauf stehen und ein Auftrag nicht lange angepasst werden muss, beinhaltet auch das einen positiven Umwelteffekt“, sagt Lehmann. Erreicht wurde dies, indem die Software künftig auf sich ändernde Situationen schneller reagiert. So kann ein Bearbeitungsjob, der ursprünglich für eine Siemens-Steuerung angelegt war, schnell auch auf einer Heidenhain produziert werden oder eine Bearbeitung, die auf einer Fräsmaschine geplant war, in wenigen Schritten auf einer Dreh-/Fräsmaschine abgewickelt werden.

Automatisierte Werkzeugwege

Welchen Einfluss das Lösen vieler klassischer Herausforderungen in der Metallbearbeitung auf den Aspekt der Nachhaltigkeit konkret haben, lässt sich schwer beziffern. Klar ist, dass die Schonung von Werkzeugen und zeit- sowie energieeffiziente Werkzeugwege einen ernst zu nehmenden Einfluss auf die Gesamtbilanz haben: „Nehmen Sie nur die Optimierung des Werkzeugeinstichs. Hier schlägt die Software mittlerweile Verfahrensweisen vor, die so komplex berechnet werden, dass es von Menschen mit händischer Programmierung an der Steuerung nicht mehr zu leisten ist. So werden unter anderem Schläge bzw. Spannungsspitzen auf das Werkzeug verhindert und somit eine gleichmäßige Spanbildung bei hoher Bearbeitungsgeschwindigkeit erreicht“, so Lehmann.

Neben den Aspekten der Arbeitsvorbereitung und der einzelnen Maschine lautet die Erfahrung von Lehmann, dass auch bei der Betrachtung des gesamten Maschinenparks und dessen Betrieb einiges an Optimierungspotenzial zu finden ist. „Wenn wir mit den Anwendern sprechen, sehen wir, dass jeder auf einem anderen technologischen Stand steht. Zwar haben nicht wenige schon Verbesserungen im Sinn, allerdings können viele mit der sich rasant verändernden Technologie nicht Schritt halten und alle Optionen im Blick behalten“, sagt er. Beispiel sind Betrachtungen zur Verbesserung der Gesamtanlageneffizienz. Selbst bei nicht allzu tief gehenden Analysen von Maschinentypen, Auslastung, Schichtfahrweisen, Rüstzeiten und Wartungszeiten zeigen sich Ansätze, um die Stillstände zu verringern. „Was gut ist für den ROI, ist in diesem Fall auch nachhaltig“, so sein Fazit.

Dass angesichts der Herausforderungen durch den Klimawandel die Bemühungen verstärkt werden müssen, liegt auf der Hand. Aus Sicht eines CAD/CAM-Anbieters sieht Lehmann den Weg vorgezeichnet: Um künftig mehr Potenzial in Sachen Nachhaltigkeit zu heben, müsse sich das Verhältnis von Software-Lieferant und Anwender grundlegend ändern. „Viele kleine Firmen kommen mit den technologischen Sprüngen nicht mehr mit. Gleichzeitig müssen wir es schaffen, noch individueller und tiefer in Analyse und Optimierung in den Betrieben einzusteigen. Ich sehe uns in der Zukunft eher als Technologie-Partner, statt Zulieferer. Dann können auch Aspekte der Nachhaltigkeit noch einmal besser bearbeitet werden“, blickt er in die Zukunft und benennt damit einen Trend, der sich quer durch die Branche zieht.

Wie sich die Digitalisierung in der Produktion umsetzen lässt und welche Lösungen es dafür gibt, zeigt auch der Digital Way zur AMB 2020.

 

 

Bild & Text: messe-stuttgart.de/amb