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Ausg.Nr._17/2017
SelSus
I
m EU-Projekt SelSus ar-
beiten Fraunhofer-Wissen-
schaftler im Konsortium mit
Partnern aus der Industrie und
Forschung an einer Technolo-
gie, die Maschinenausfälle in
der Produktion prognostiziert,
bevor sie auftreten. So kann der
Betriebsleiter Fehler beheben,
ehe die Maschine nicht mehr
funktioniert. Manche Defekte
beseitigt das System sogar au-
tomatisch.
Die Betriebsleiter fürchten ihn,
die Techniker mögen ihn gar nicht
und die Manager kalkulieren ihn
seufzend mit ein: den plötzlichen
Ausfall einer Maschine während
der laufenden Produktion. Solche
Vorkommnisse lösen hektische
Reparatureinsätze aus, treiben
die Kosten hoch, beeinträchtigen
die Liefertreue und senken letzt-
lich die Wettbewerbsfähigkeit
der Unternehmen. Dabei geht es
oftmals um relativ kleine Defekte
oder Verschleißerscheinungen.
Diese bleiben unentdeckt, führen
dann aber zu größeren Ausfällen
und Produktionsstopps.
Hilfreich wäre eine Technik, die
den Status aller Komponenten
in der Produktionsstraße über-
wacht, Probleme und Schwach-
stellen identifiziert und den zu-
ständigen Mitarbeiter rechtzeitig
informiert. Dieser kann dann
auf Basis eines sogenannten
Decision-Support-Systems eine
Entscheidung treffen, zielgerich-
tet handeln und den Defekt behe-
ben. Idealerweise, ohne dass die
Produktion unterbrochen werden
muss.
Genau dies ist eine, aber nicht
die einzige Grundidee des ehr-
geizigen Projekts SelSus, an dem
das Fraunhofer-Institut für Pro-
duktionstechnik und Automati-
sierung IPA gerade forscht. »Ziel
ist es nicht nur, den Status der
Maschinen und Komponenten
zu überwachen, vielmehr sollen
Schwachstellen oder Verschleiß-
erscheinungen mithilfe intelli-
genter Software und von Sensor-
Netzwerken so frühzeitig erkannt
werden, dass das System einen
Ausfall prognostizieren kann«,
erklärt Martin Kasperczyk vom
Fraunhofer IPA. Die entwickelten
Diagnoseverfahren geben dann
auch gleich Hinweise oder Emp-
fehlungen, wie das Problem zu
beheben ist. So wird etwa beim
Projektpartner Electrolux in Por-
denone in Italien ein Decision-
Support-System eingesetzt. Das
System kann mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit
bevorste-
hende Ausfälle an einer Presse
für Verkleidungen von Wasch-
maschinen vorhersagen und
tatsächlich aufgetretene Störun-
gen diagnostizieren. Die nötigen
Daten zum aktuellen Status der
Maschinen liefern dabei teilwei-
se Sensoren. Sie messen Werte
wie Energieverbrauch, Tempera-
tur, Öldruck, Partikel im Öl oder
Vibrationen. Das Fraunhofer IPA
hat mit dem beteiligten Konsor-
tium bewiesen, dass die Technik
auch in der Praxis zuverlässig
funktioniert.
Das System repariert sich
selbst
Das System ist sogar in der Lage,
selbst Steuerimpulse an einzel-
ne Maschinen zu geben. Eine
Schweißsteuerung beispielswei-
se, bei der ein Sensor ausgefallen
ist, kann fast unterbrechungs-
frei in einem »Sicheren Modus«
weiterarbeiten, ohne dass es zu
größeren Störungen kommt. Die
Fähigkeit, sich gewissermaßen
selbst zu reparieren und die Pro-
duktion zu erhalten, hat dem Pro-
jekt auch seinen Namen gegeben.
SelSus steht für »Health Moni-
toring and Life-Long Capability
Management for Self-Sustaining
Manufacturing Systems«.
Bis dahin waren jedoch einige
technologische Hürden zu neh-
men. Martin Kasperczyk sagt:
»Vor allem die Auswertung der
Datenflut war eine Herausforde-
rung. Schließlich geht es darum,
Ausfälle oder Pannen bei Maschi-
nen mit hoher Zuverlässigkeit zu
prognostizieren. Da genügt es
nicht, ein paar Algorithmen zu
programmieren.«
Bayes´sche Netze und
Sensordaten
Die Experten setzen auf die
Bayes´schen Netze. Das ist ein
mathematisches Verfahren, mit
dem sich die Wahrscheinlichkeit
berechnen lässt, mit der ein be-
stimmtes Ereignis oder ein Zu-
stand eintritt. Dabei werden meh-
rere Variablen und die mit ihnen
verbundenen Wahrscheinlichkei-
ten miteinbezogen. Mithilfe der
von den Sensoren gewonnenen
Daten berechnet die Software
etwa, wie wahrscheinlich es ist,
dass ein bestimmtes stark be-
anspruchtes Kabel demnächst
bricht, und meldet gegebenen-
falls, dass es ausgetauscht wer-
den muss.
Die SelSus-Software verlässt sich
hierbei nicht allein auf Sensoren.
Die technischen Eigenschaften
der Maschine und ihre Leistungs-
parameter werden ebenso be-
rücksichtigt. Diese Daten müssen
bei der Installation und Konfigu-
ration des Systems eingespeist
werden. Zudem zeigt ein aus-
führlicher Probelauf dem System,
Im EU-Forschungsprojekt SelSus entwickelter sich selbst reparierender Dispenser des Projektpartners
Manufacturing Technology Centre für die Motorenproduktion
Produktionsstopps vermeiden
Maschinenpark wartet sich selbst