Ausgabe zur ANALYTICA 2018

Ausg.Nr._07/2018 21 Interview Thema BIG DATA-Analytics von besonders großer Bedeutung. Denn der Interpretation dieser Datenarten im Kontext der kli- nischen Daten kommt eine ent- scheidende Rolle zu. Vermutlich ist es die zukünftige Königsdis- ziplin, denn Datengenerierung wird mehr und mehr commodity, so dass Daten-Integration, -Ku- rierung und -Interpretation ent- scheidend für die Qualität von Diagnose und Behandlungsun- terstützung werden.“ Wie arbeiten Pharma und Dia- gnostik für die Personalisierte Medizin zusammen? Dr. Friedrich von Bohlen: „Die Trennung von Pharma und Dia- gnostik macht eigentlich keinen Sinn mehr. Es wird in Zukunft kein Therapeutikum mehr ge- ben, das nicht mit mindestens einem Diagnostikum einhergeht. Testsysteme, die zum Beispiel Biomarker messen, werden also in Zukunft immer öfter auch von Pharmafirmen angeboten. Thera- pie und Diagnostik konvergieren und laufen aufeinander zu.“ Wird Personalisierte Medizin in Zukunft nur denen zugänglich sein, die es sich leisten können oder wird es „ökonomische Stell- schrauben“ geben? Dr. Friedrich von Bohlen: „Ich bin überzeugt, dass durch die perso- nalisierte Medizin die Kosten ge- senkt werden können, und zwar aus zwei Gründen: Erstens wird die Sequenzierung der Genome und aller anderen ‚-ome‘ durch neueste Technologien immer günstiger. Zweitens können die Kosten, die die Pharmaindustrie für die Entwicklung von Medi- kamenten aufwendet, deutlich reduziert werden. Heute kom- men nur gut zehn Prozent der Wirkstoffkandidaten durch die klinischen Studien, knapp 90 Prozent scheitern. Die Entwick- lungskosten bis dahin müssen aber amortisiert werden. Mit Hilfe des strukturierten Litera- turwissens, RWD, RCT und deren Verknüpfung durch BIG DATA Analytics kann ich zukünftig mit wenigen klar profilierten Patien- ten Wirksamkeit, Sicherheit und Nutzen von Arzneimittelkandida- ten in kleinen Studien mit kurzer Laufzeit und hoher Erfolgswahr- scheinlichkeit demonstrieren. Dadurch lassen sich die Kosten der Arzneimittelentwicklung, die heute bei über 2 Mrd. Euro pro neuem Medikament liegen, deutlich reduzieren. Die Prä- zisionsmedizin wird sowohl in der klinischen Anwendung als auch für Drug Development ein Kostensenker werden und damit allen im Gesundheitssystem zu Gute kommen.“ Warum ist Personalisierte Medi- zin in der Krebsforschung beson- ders wichtig? Dr. Friedrich von Bohlen: „Krebs ist eine eindeutig genetisch be- dingte, lebensbedrohliche Er- krankung. Zudem sind die Be- handlungskosten in der Onko- logie so hoch, dass die Kosten für neue genetische Tests ver- gleichbar gering ins Gewicht fallen. Damit ist die Onkologie prädestiniert für die Erstnutzung dieser neuen Technologien der Personalisierten Medizin. Mittel bis langfristig werden auch alle anderen Indikationen davon pro- fitieren. Die Präzisionsmedizin kann Krebs, ähnlich wie Aids, im ersten Schritt in eine chronische Erkrankung überführen. Das mo- lekulare Profil des Krebses kann erstellt und die Behandlung wie- derholt adjustiert werden, wenn sich das Profil über die Zeit und unter Behandlung verändert. Hinzu kommt, dass ich mit Liquid Biopsy-Verfahren aus dem Blut heraus erkennen kann, ob mei- ne Behandlung anschlägt oder nicht. In noch weiterer Zukunft wird es vielleicht möglich sein, dass man Krankheiten wie Krebs sogar heilen kann, indem man Mutationen, die den Krebs ver- ursachen, molekulargenetisch austauschen kann.“ Gibt es bereits konkrete Beispiele für den Erfolg der Personalisierten Medizin? Dr. Friedrich von Bohlen: „Es gibt in Deutschland bereits einige Selektivverträge zwischen Medi- zintechnik-Betreibern für Tumor- panels, Universitätskliniken und Krankenkassen, die es ermög- lichen, bei Patienten mit einer bestimmten Krebserkrankung eine molekulare Profilierung zu erstellen, die in der klinischen Anwendung erstattet wird. Auf Basis dieser Panels können Ärzten Therapieempfehlungen gegeben werden, die die Be- handlung effizienter und sicherer machen. In den USA werden sogenannte Tumorpanels sogar schon landes- weit erstattet. Studien belegen eindeutig, dass die Behandlun- gen, die solche individuellen Mar- ker-Panels nutzen, effizienter, nebenwirkungsfreier und somit besser für die Patienten sind.“ Wie wird Personalisierte Medizin unser Gesundheitssystem verän- dern? D r. Friedrich von Bohlen: „Die Zukunft heißt ‚outcomes based medicine‘. Heute werden Servi- ces nach Leistungskatalog abge- rechnet. In Zukunft wird sich der Erfolg einer Behandlung bzw. eines Medikaments in der Erstat- tung wiederfinden. Behandlungs- erfolg kann adhoc oder im Nach- gang gemessen werden. Dieses ‚value based reimbursement‘ wird Hand-in-Hand gehen mit ‚outcomes based medicine´. Und ich sehe nur Gewinner in dieser Zukunft. Allen voran und an erster Stelle der Patient“.  Text & Bild: Messe München GmbH Messegelände D-81823 München

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